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Buch

Trockenfisch und Stalinlied

 Reiseeindrücke aus Sibirien

ISBN: 3-8334-2948-8        (Paperback 18,00 €)       Bestellung

8000 Kilometer von der Heimat entfernt, im fernen Sibirien, in Jakutien begegnet ein deutscher Tourist berühmten Künstlern, Wissenschaftlern, Politikern, Lehrern und Schamanen ... aber auch einfachen Menschen. Dabei ist er stark berührt von der großen Hilfsbereitschaft und Herzlichkeit dieser Menschen

Der Autor ist fasziniert von der jenseits unserer Vorstellungskraft existierenden unendlichen Weite, den riesigen Wäldern, den gigantischen Flüssen, den Landschaften im Osten Sibiriens bis zum Polarkreis. Er berichtet von interessanten Begegnungen mit den Menschen, ihrer Lebensweise, ihren Sorgen und Nöten und einer hier zu Lande kaum bekannten Kultur. Er lässt den Leser teilhaben am Sommerfest Ysyach, an Kulturveranstaltungen, einem Festival, an Museumsbesuchen, einem Veteranentreffen, Interviews, einer Lehrerkonferenz und anderen  Begegnungen. Das Buch enthält außerdem Hintergrundinformationen zu Jakutien, zur Hauptstadt Jakutsk, zum Gebiet Moma am Polarkreis ... und hilft, eigene Reisepläne umzusetzen.

Inhalt des Buches

Leseprobe

Inhalt:

 

Leseprobe

Wie bekommt man einen Jetlag, der sich gewaschen hat?

Das ist eine der leichtesten Übungen. Man bucht den Nachtflug mit der Aeroflot von Berlin-Schönefeld nach Moskau. In Moskau angekommen (ich hatte nicht gerade viel Schlaf in dieser Nacht) versucht man irgendwie auf den anderen Flughafen zu kommen, von wo der Flug nach Jakutsk am späten Nachmittag weitergeht. Ach so: hatte ich eigentlich schon gesagt, dass der Flughafen Domededewo ca. 100 Kilometer vom Flughafen Sheremetjewo entfernt liegt? Jetzt weiß ich das. Wäre vielleicht ganz gut gewesen, sich vorher mal zu erkundigen. Und auch nach der Transportmöglichkeit. Aber zum Glück ist das ja alles ganz einfach! Also man steigt in Sheremetjewo aus, geht den Beschilderung nach zum Flughafenzubringer Domededewo, kann natürlich, da man ja das Weiterflugticket besitzt, kostenlos fahren. Selbstverständlich sind die im Flughafen angebrachten Schilder in Englisch, so dass man sie problemlos verstehen kann. Schöner Traum, nicht wahr?

Nichts, nietschewo, nothing! Aber wer wird nach noch nicht mal 2000 km schon aufgeben? Es liegen noch über 6000 vor mir, also ruhig bleiben. Bin ich auch, wird schon werden, budjet, budjet... Da finde ich doch schon sehr touristenfreundliche Möglichkeiten. Zum Beispiel: Einer der überaus netten und zuvorkommenden Taxifahrer. Man lasse sich von ihm überreden, für das geringe Trinkgeld von 60 Dollar transportiert zu werden. Nein, das ist mir doch zu teuer. Es muss doch irgendwie eine Busverbindung geben? Finde ich nicht! Oder ein Marschroutnö Taxi (Kleinbus verschiedenster Richtungen, billig, gut ausgeschildert). Gibt es! Aber bloß bis zur Metro. Und jetzt am Morgen: Rushhour in Moskau, na prima. Und mit meinem schweren Rucksack. (Hatte letztes Jahr in der Metro auf dem Innenstadtring schon einen beinahe Ohnmachtsanfall vor Anstrengung!) Also auch nicht! Zugverbindung, ah ha ... bloß, wo kommt denn der Zug wieder an und dann trotzdem mit der Metro weiter... Uff! Aber, wer wird denn gleich aufgeben! Taxi, hallo Taxi! Ist natürlich eine bombensichere Transportmethode entgegen aller Unkerein diverser Nachrichtensprecher in deutschen Nachrichtensendungen, nach denen man dann nicht nur im Taxi sondern auch bereits mit einem Bein in der Falle der Mafia steht. Nein, zuverlässiger Kerl, fährt einen guten und schnellen Stil. Ich habe den Preis auf 40 Dollar gedrückt. Jedenfalls braucht der Gute heute bestimmt nicht noch einmal zu arbeiten. Der hatte sein Geld ein. Und irgendwann am Vormittag bin ich dann in Domededewo. Aber es war wirklich eine nette Unterhaltung mit dem Fahrer. Er hat mir auch gleich angeboten, dass er mich auf meinem Rückflug wieder transportiert. Aber dann muss es leider etwas teurer werden, weil er mich dann direkt und persönlich chauffiert. Um gleich vorweg zu greifen: auf dem Rückweg fahr ich mit dem Kleinbus zur Metro, mit der Metro durch die Stadt und von der Endhaltestelle der Metro wieder mit dem Kleinbus bis zum Flughafen. Überhaupt kein Problem, wenn man es weiß. Das Ganze kostet mich ca. 50 Rubel. Leider viel zu billig!  :-)

Domededewo ist ein großer Flughafen, von dem fast alle Inlandsflüge ausgehen. Ich habe einen halben Tag Zeit, um mir den Flughafen, die Angestellten und die Fluggäste anzusehen. Früher gab es die große staatliche Fluggesellschaft Aeroflot. Heute scheint jede einzelne Region der ehemaligen Sowjetunion ihre eigene Fluggesellschaft zu haben. Der Flughafen ist groß und neu und eine große Baustelle auch. Außerdem ist auf voller Menschen. Ich nehme mir vor, mich etwas auszuruhen, denn jetzt bin ich schon erheblich lange auf den Beinen. Leider gelingt mir das Ausruhen nur mittelprächtig, denn auf den harten Plastikschalen kann man kaum Ruhe finden. Die andauernden Ansagen, von denen ich manchmal kaum die in englischer Sprache verstehe, tun ihr übriges.

Nach endlosen Runden durch das Flughafengebäude ist es dann endlich so weit: wir checken ein. Irgendwann (ganz pünktlich) startete das Flugzeug und ab geht es weiter nach Osten. Ich bin Urlauber und mir ist es egal, wie spät es gerade ist. Meine biologische Uhr ist sowieso schon im Eimer. Ich habe gehört, wenn man dem Jetlag entgehen will, soll man sich möglichst schnell auf die neue Uhrzeit einstellen. Also schlafen, wenn es Nacht wird. Ich schaue aus dem Fenster, aber es wird nicht Nacht. Und ich bin viel zu fertig, um müde zu sein. Aber natürlich auch viel zu aufgeregt. Aber irgendwo drin in den tiefsten Tiefen meiner Gehirnwindungen meine ich, dass hier etwas nicht stimmt. Es wird einfach nicht dunkel. Aber ich irgendwas verpasst? Ist die Sonne bereits schon aufgegangen? Was ist eigentlich los? Wo sind wir? Vielleicht schlafe ich doch eine Runde. ...

 Samstag, 5.6.2004

 Was? Landung? 7:30 Uhr, na prima, endlich da! (Auf dem Ticket stand übrigens 8:20 als Ankunftszeit. Eine Stunde gespart. Ein Wunder! Eins von vielen.) Der internationale Flughafen von Jakutsk. Beeindruckendes Gebäude. Mir doch egal. Bin müde. Aussteigen. Es ist kühl. Wir laufen auf irgendein großes eisernes Tor zu. Typisch Russland. Mir doch egal. Bin müde. Tor ist zu. Dann geht es auf. Wo ist Warja? Ich will hier raus! Irgendjemand zieht mich am Arm. Nennt meinen Namen. Und dann sehe ich Warja. Welche Freude! Wir gehen zu einem Auto, Marke Lada. Wir steigen ein. Ich werde Freunden vorgestellt. Ich bin müde. Wir warten. Da ist Iwan. Das ist der Kranichexperte. Sehr interessant! Nur nicht jetzt. Ich bin müde. Dann gibt es das Gepäck. Es wird eingeladen und wir fahren in die Stadt. Eine lange Straße mit grauen Häusern. Auf der Straße überall Menschen, alles in grau. Alle Menschen sind müde. Besonders ich. Ich sehe viel, aber es kommt nicht bis in mein Gehirn. Jetzt geht es wieder raus aus der Stadt. Wir halten an einer wirklich wunderschönen Stelle, wo mehrere Häuschen aus Holz stehen.

Ein Schamane steht da und winkte mit einem Wedel. Darauf kann ich mich jetzt nicht konzentrieren, sonst schlafe ich ein. "Holger reiß dich zusammen!", sagte ich mir. "Die geben sich solch eine Mühe mit ihrem Gast und du hängst durch." Ich lausche den Erzählungen der beiden Menschen, die das Museum führen. Denn als Museum stellt sich das Ganze hieraus. Es sind Freunde von Warja, die für die Touristen etwas aufgebaut haben. Wir besichtigen traditioneller Bauten, gehen in einen Eiskeller, in dem Eisskulpturen stehen und vor sich hin weinen. (Wahrscheinlich weil sie unheimlich müde sind.) Dann gibt es ein Essen. Das erste Mal trinke ich Kumys. Das ist vergorene Stutenmilch. Es schmeckt Klasse. Aber es ist mir egal. Ich bin müde. Tut mir Leid, lieber Freunde! 2 Nächte nicht geschlafen! Dann geht es wieder weiter, zum Hotel: Es ist das Hotel Lena. Danke Warja, dass du dich vorher schon um alles gekümmert hast. Ruck zuck bin ich im Zimmer, und kann mich ausruhen. Sehr schön. Anna ist noch hin und her gerannt und hat Vorhänge für die Fenster besorgt. Sie werden schnell angebracht. Anna ist wirklich ein Organisationstalent. Das erkenne ich nur jetzt gerade nicht. Ich bin müde. Draußen ist es hell. Ich liege noch nicht richtig im Bett, da schlafe ich schon.

Der Schlaf hat mich erholt. Mir geht es schon viel besser. Anna hat ein wunderbares Abendessen organisiert. Am Tisch mit uns saß ein berühmter Sportler (ich glaube, Karate? Frag mich etwas zu Sport. Ich habe keine Ahnung!), die Polizeichefin von Jakutsk in Zivil, Anna und natürlich Warja. Es gab erlesenstes Essen, was ich leider nicht alles aufessen konnte. Ich war einfach zu voll und wohl auch noch nicht voll auf dem Posten. Anna ist übrigens die Chefin des Restaurants im Theater der Estraden, in welchem Warja als Solosängerin angestellt sind. Gegen 21:00 geht es zurück ins Hotel Lena. Der erste Eindruck, den die Stadt auf mich macht, ist sehr widersprüchlich, aber auch sehr interessant. Neben ganz alten, bereits fast verfallenen Holzhäusern stehen modernste Gebäude aus Glas und Beton, zum Teil mit futuristischem Design. Überall wird gebaut, insbesondere für das große Sportfestival "Kinder Asiens", welches alle vier Jahre stattfindet und in diesem Jahr von Jakutien ausgerichtet wird.

Die Straßen der Stadt sind aus Beton gegossen und längst zur Generalüberholung überfällig. Es riecht in der Stadt nach irgendetwas Ungesundem: Autoabgase? Feuerstelle? Müllverbrennung? Überall Staub, aber trotzdem geht von der Stadt ein wunderbares Flair aus. Ich weiß momentan nicht direkt weshalb... Auf Grund der Kälte ist in diesem Jahr die Natur noch nicht sehr weit gekommen. Es sieht aus wie in ganz zeitigen Frühling, aber auch wieder anders... (Später höre ich, dass dieser Frühling außergewöhnlich kalt war). Jetzt ist es 21:30 Ortszeit (der Tag ist hier acht Stunden älter, als bei uns zu Hause). Draußen ist es hell. Hell? Jetzt noch? Da geht mir ein Licht auf: ich bin ziemlich weit oben im Norden und es ist fast die Zeit der Sommersonnenwende. Und da wird es eben nicht zu richtig dunkel. Deshalb auch der Flug im Hellen. Oh Mann, wie konnte ich das übersehen! Aber es ist schon beeindruckend für jemanden, der so etwas noch nie gesehen hat. Im Hotel Lena gehe ich sogleich wieder in mein Bett. Jetzt ist es zwar nicht dunkel, aber es ist Nacht. Und ich muss schlafen. Was ich auch tief und fest tue. Und zum Glück werde ich in dieser Nacht auch den Jetlag los

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